Die Papier, Pappe und Karton (PPK) erzeugende und verarbeitende Industrie sieht sich mit einer nie da gewesenen Regulierungsdichte konfrontiert, ausgelöst sowohl von europäischer als auch von der deutschen Politik.
Die geplante EU-Verpackungsverordnung (PPWR) beschäftigt seit mehr als einem Jahr die PPK-Wertschöpfungskette und befindet sich aktuell im Trilog zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Ministerrat. Der PPWR-Entwurf sieht u.a. verpflichtende Mehrweg-Quoten für bestimmte Transport- und Versandverpackungen sowie Verbote von bestimmten Verpackungsformaten vor. Dadurch würden ökologisch vorteilhafte PPK-Kreislaufverpackungen politisch aus dem Markt gedrängt. Eine ökologische Überlegenheit von Mehrwegverpackungen ist jedoch keineswegs belegt, sondern vielmehr von verschiedenen Studien widerlegt. Wie der Begriff schon sagt, führen Mehrwegverpackungen zu logistischem Mehraufwand, vermeidbare Leerfahrten nehmen zu, verursachen zusätzliche CO2-Emissionen, binden knappe Logistikkapazitäten und belasten ohnehin strapazierte Verkehrsnetze.
Der Verordnungsvorschlag etabliert zudem eine Reihe neuer und komplexer Dokumentations- und Zertifizierungspflichten für Hersteller und Inverkehrbringer von Verpackungen, die beträchtliche Bürokratiekosten für die Unternehmen nach sich ziehen werden.
2019 ist das deutsche Verpackungsgesetz (VerpackG) in Kraft getreten, das die seit 1991 geltende Verpackungsverordnung ersetzt. U. a. wurde eine neue Behörde geschaffen: die „Zentrale Stelle Verpackungsregister“ zur Registrierung und Kontrolle der Systembeteiligungspflicht von Verkaufsverpackungen. Bereits zwei Jahre später trat 2021 eine VerpackG-Novelle in Kraft, mit der weitere Berichts- und Dokumentationspflichten der Inverkehrbringer von Verpackungen sowie eine neue Registrierungspflicht der Hersteller von Transportverpackungen geschaffen wurden.
Obwohl die europäische PPWR noch nicht abgeschlossen ist, verfolgt das Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (BMUV) aktuell ein weiteres VerpackG-Änderungsgesetz zur „Stärkung der Verpackungsvermeidung“. Die BMUV-Eckpunkte vom Sommer 2023 sehen u.a. strengere Mehrweg-Angebotspflichten vor, u.a. deren Ausweitung auf alle Lebensmittel-Verpackungsmaterialien für den „ToGo“-Verzehr, also auch auf PPK-Verpackungen.
Das BMUV-Vorhaben kommt zur Unzeit! Ein jetziger deutscher Alleingang wird den Unternehmen der gesamten Lieferkette zusätzliche Belastungen bringen und den europäischen Binnenmarkt beschädigen.
Schon die Umsetzung der bereits bestehenden Mehrweg-Angebotspflichten wird durch zahlreiche offene Fragen erschwert. Diese betreffen insbesondere den Zielkonflikt zwischen Verpackungsgesetz und Verbraucherschutz bzw. Lebensmittelhygiene. Zudem ist der vom BMUV grundsätzlich unterstellte ökologische Vorteil von Mehrwegverpackungen auch hier mehr als fraglich!
Am 01. Januar 2024 ist das Einwegkunststofffondsgesetz (EWKFondsG) in Kraft getreten. Mittels einer Sonderabgabe sollen Hersteller bestimmter Einwegkunststoffverpackungen zur Finanzierung der öffentlichen Abfallentsorgung herangezogen werden, wovon auch bestimmte PPK-Produkte betroffen sind. Hierzu wird beim Umweltbundesamt ein Fonds zur Herstellerregistrierung und Zahlungsabwicklung geschaffen. Es ist allerdings fraglich, ob die Sonderabgabe rechtmäßig ist. Neben offenen Fragen zur Betroffenheit von Verpackungen und Unternehmen geht es auch um verfassungsrechtliche Fragen.
Im Rahmen der europäischen Chemikalienpolitik plant die EU-Kommission ein Verbot der Herstellung und Verwendung von Bisphenol A (BPA) und Per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS). Beide Verbotsvorhaben sorgen für Rechtsunsicherheit und stellen die gesamte Lebensmittel-Wertschöpfungskette einschließlich der Verpackungshersteller vor enorme Herausforderungen, wenn nicht sogar Existenzgefahren.
Das deutsche Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) verfolgt seit Ende 2021 eine Anzeigeverordnung mit einer Anzeigepflicht der Hersteller und Inverkehrbringer von Lebensmittelbedarfsgegenständen bei den zuständigen Landesbehörden. Diese unterliegen jedoch bereits heute regelmäßigen Kontrollen der amtlichen Lebensmittelüberwachung und sind den Behörden demzufolge bekannt. Die neue Verordnung bedeutet somit einen zusätzlichen, unnötigen und unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand für die Unternehmen.
Im Mai 2023 hat der Europäische Rat die neue EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) verabschiedet, die die bisherige EU-Holzhandelsverordnung (EUTR) um die Aspekte Entwaldung und Waldschädigung ergänzt. Es müssen zukünftig neue unternehmerische Sorgfaltspflicht beachtet werden, z. B. die Rechte der lokalen indigenen Bevölkerung. Rohstoffe und Erzeugnisse dürfen nur noch in Verkehr gebracht werden, wenn sie entwaldungs- und waldschädigungsfrei sind. Die hiermit verbundenen Konformitätspflichten entlang der Lieferketten drohen zu einem Bürokratie-Monster zu werden, wovon auch die PPK-Wertschöpfungskette betroffen ist.
Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verpflichtet Unternehmen, die Einhaltung von Arbeitnehmer- und Menschenrechten in der gesamten vorgelagerten Lieferkette sicherzustellen. Kleine und mittlere Unternehmen können den damit verbundenen Bürokratieaufwand kaum stemmen: Je kleiner das Unternehmen, umso größer der Aufwand im Verhältnis zur Mitarbeiterzahl und zum Umsatz. Die im Dezember 2023 vom EU-Parlament beschlossene europäische Wertschöpfungsketten-Richtlinie geht noch über die in Deutschland geltenden „Sorgfaltspflichten“ hinaus. Beide Regulierungen werden deutsche und europäische Unternehmen – insbesondere aus dem Mittelstand – überfordern, die Welt jedoch nicht gerechter machen.
Im Juli 2023 ist das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) in Kraft getreten, das Unternehmen ab 50 Mitarbeitern zur Einrichtung einer Meldestelle für Rechtsverstöße und Missstände im Betrieb verpflichtet und ebenfalls mehr bürokratischen Aufwand verursacht.
Die beispielhaft und sicherlich nicht abschließend genannten Regularien werden ausgestaltet mit unzähligen Detailvorgaben, Pflichten, Dokumentationsanforderungen, Auflagen usw., die enorme Ressourcen in den Unternehmen der PPK-Wertschöpfungskette binden. Hinzu kommen bürokratische Anforderungen z. B. von Statistikämtern, Normungsinstituten, Berufsgenossenschaften usw., die von den Unternehmen zu erfüllen sind.
Die unbestreitbare Überregulierung in Deutschland und Europa muss dringend abgebaut werden, damit insbesondere die auch in der PPK-Wertschöpfungskette dominierenden mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit haben, ihre Leistungs-, Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu sichern und auszubauen!
Die Bundesregierung hatte im September 2022 ein „Belastungsmoratorium“ für die Wirtschaft angekündigt. Was ist daraus geworden? Nichts! Dies wäre aber gerade in der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Rezessionsphase in Deutschland dringend geboten!
Wirtschaftsverband Papierverarbeitung (WPV) e.V., Januar 2024